1. Einleitung
Das Instrument der Notgeschäftsführerbestellung in der GmbH wird im Gesellschafterstreit oft angedroht, kommt in der Praxis tatsächlich aber selten zur Anwendung. Allerdings birgt es stets ein Risiko für Gesellschaft und Gesellschafter, da diese im Ernstfall mit der Bestellung eines ihnen unliebsamen Notgeschäftsführers konfrontiert werden.
2. Voraussetzungen der Notgeschäftsführerbestellung
Anders als im Aktienrecht (§ 85 AktG) ist die Bestellung eines Notgeschäftsführers im GmbH-Gesetz nicht geregelt. Sie richtet sich deshalb nach ganz überwiegender Meinung nach § 29 BGB. Übertragen auf den Geschäftsführer einer GmbH, liest sich § 29 BGB wie folgt: Soweit (nach der Satzung) die erforderlichen Geschäftsführer fehlen, sind sie in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Bestellung eines ordentlichen Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft auf Antrag eines Beteiligten von dem Amtsgericht zu bestellen, in dem die GmbH ihren Sitz hat.
Da die Notbestellung in das Bestellungsrecht der Gesellschafter (§ 46 Nr. 5 GmbHG) eingreift, ist sie nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Mit den einzelnen Voraussetzungen haben sich bereits diverse Oberlandesgerichte letztinstanzlich ausführlich auseinandergesetzt; eine Auseinandersetzung des BGH ist aufgrund der Entscheidung durch Beschluss nicht zu erwarten; das BVerfG könnte allenfalls im grundrechtlichen Kontext angerufen werden.
a)
Grundvoraussetzung der Notbestellung ist das Fehlen eines Geschäftsführers oder dessen rechtliche Hinderung an der Wahrnehmung seiner Geschäftsführungsaufgaben.
Das ist beispielsweise der Fall, wenn dem Geschäftsführer durch einstweilige Verfügung die Geschäftsführung untersagt wurde (OLG Düsseldorf v. 10.02.2021 – I-3 Wx 5/21), der Alleingeschäftsführer und alle Gesellschafter verstorben sind, sodass eine Neubestellung nicht möglich ist (OLG Köln v. 27.06.2019 – 18 Wx 11/19) oder wenn die Satzung der Gesellschaft zwingend die Handlung zweier Geschäftsführer vorschreibt.
Im Ausnahmefall kann sogar eine nur unklare Vertretungslage im Zuge umfassender Gesellschafterstreitigkeiten ausreichen, um ein Bestellungsverfahren einzuleiten (OLG Düsseldorf v. 08.06.2016 – I-3 Wx 302/15). Regelfall ist das aber nicht.
b)
Eine Notbestellung muss außerdem dringlich sein. Davon ist auszugehen, wenn die Gesellschaft handlungsunfähig ist. Die Notbestellung ist gegenüber der ordentlichen Geschäftsführerbestellung stets subsidiär. Sie kann also nur dann erfolgen, wenn eine ordentliche Bestellung nicht oder zumindest nicht in einem angemessenen Zeitraum möglich ist. Sie ist also kein Instrument zur Klärung von Gesellschaftermeinungsverschiedenheiten, auch wenn dies in manchen Schriftsätzen und Aufsätzen kokettiert wird. Insofern kann also auch die Vertretungsmacht vorher zu ändern sein und bspw. verlangt werden, dass ein Geschäftsführer alleine handeln kann und nicht (mehr) zwingend zwei Geschäftsführer zu bestellen sind.
In einer Gesellschaft im Geschäftsbetrieb sind stetig operative Maßnahmen zu ergreifen, was eine Dringlichkeit der Geschäftsführernotbestellung nahelegt. Daneben begründen auch handelsrechtliche Pflichten eine Dringlichkeit.
3. Verfahren
Wichtig ist, dass über die Notbestellung das Registergericht nur auf Antrag entscheidet. Antragsberechtigt ist jeder, der ein unmittelbares und berechtigtes eigenes Interesse an der Notbestellung hat. Antragsberechtigt sind damit neben den Gesellschaftern und sonstigen Organmitgliedern auch die Gläubiger der Gesellschaft oder sonstige Personen, denen gegenüber die Gesellschaft Verpflichtungen hat.
Bei der Auswahl des Notgeschäftsführers ist das Registergericht an etwaige Vorgaben der Satzung gebunden (z.B. Bestellung von mindestens zwei Geschäftsführern). Das gilt auch für erforderliche Qualifikationen des Notgeschäftsführers, soweit diese von der Satzung gefordert wird und aus allgemeinen Grundsätzen der Bestellung folgt. Um eine ordnungsgemäße Geschäftsführung in der Notgeschäftsführung zu sichern, ist daher eine entsprechende satzungsmäßige Festlegung der Geschäftsführerkriterien empfehlenswert.
Das Registergericht kann zur Auswahl auch eine Stellungnahme der Gesellschafter einholen. An diese ist es allerdings nicht gebunden.
Eine Amtsübernahmeverpflichtung besteht für den bestellten Notgeschäftsführer im Übrigen nicht. Eine Bestellung kann daher nur mit dessen Zustimmung erfolgen. Gerade in krisengebeutelten Unternehmen kann dies zu Problemen führen, wenn niemand zur Notgeschäftsführung bereit ist.
Gerade für die Praxis ist herauszugeben, dass sowohl das Verfahren vor dem Registergericht als auch die Bestellung des Notgeschäftsführers unmittelbar nur durch Bestellung eines neuen Geschäftsführers durch das zuständige Organ beendet werden kann.
Im Übrigen kann nur die Abberufung aus wichtigem Grund beim Registergericht beantragt werden, was – da der Notgeschäftsführer regelmäßig sehr vorsichtig und passiv handeln wird – nur geringe Erfolgschancen hat.
4. Befugnisse des Notgeschäftsführers
Im Einzelfall ist das Registergericht verpflichtet, die Geschäftsführungsbefugnis des Notgeschäftsführers auf diejenigen Geschäfte zu beschränken, die erforderlich sind, um eine ordentliche Geschäftsführerbestellung herbeizuführen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Notbestellung nur dazu erforderlich ist, um beispielsweise die Gesellschafterliste entsprechend der Erbfolge ändern oder eine Gesellschafterversammlung (mit den Erben des verstorbenen Gesellschafter-Geschäftsführers) einberufen und so einen ordnungsgemäßen Geschäftsführer bestellen zu können (OLG Köln v. 27.06.2019 – 18 Wx 11/19). Demgegenüber ist eine Beschränkung im operativen Bereich (z.B. auf Geschäfte bis zu EUR 5.000) in den meisten Fällen nicht zu erwarten, da das Registergericht im Einzelnen nicht absehen kann (und sollte), welche Geschäftsführungsmaßnahmen für einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang erforderlich sind (vgl. OLG Düsseldorf v. 10.02.2021 – I-3 Wx 5/21).
Festzuhalten ist, dass die Gesellschafter damit rechnen, dass der Notgeschäftsführer Kontrolle über alle Geschäfte der Gesellschaft erlangt. Um das zu vermeiden, sollte schnellstmögliche eine ordnungsgemäße Geschäftsführerbestellung durch die Gesellschafterversammlung anvisiert werden.
5. Rechtsschutz gegen Notgeschäftsführerbestellung
Regelmäßig werden die Gesellschafter mit dem vom Registergericht bestellten Notgeschäftsführer nicht einverstanden sein. Der Bestellungsbeschluss selbst ist mit der einfachen Beschwerde angreifbar. Hilft das Registergericht selbst nicht ab, hat das zuständige Oberlandesgericht als Beschwerdegericht die Notgeschäftsführerbestellung zu prüfen. Es prüft dabei insbesondere, ob das Registergericht den Notgeschäftsführer rechtsfehlerfrei ausgewählt hat.
Nach erfolgter Bestellung ist der Notgeschäftsführer solange tätig, bis diese durch gerichtliche Entscheidung wiederaufgehoben wird.
Ein Recht zur Abberufung des Notgeschäftsführers steht den Gesellschaftern im Übrigen nicht zu. Wollen Sie die Notgeschäftsführung beenden, können Sie einen ordentlichen Geschäftsführer bestellen. Die Notgeschäftsführung wird dadurch obsolet.