31. August 2023

Mitarbeitende Gesellschafter ohne Geschäftsführer-Position in der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung

Von Gabriele Kania

Nach der BSG-Rechtsprechung galt für mitarbeitende Gesellschafter einer GmbH ohne Geschäftsführerposition, dass diese in Bezug auf ihre Tätigkeit für das Unternehmen jedenfalls dann in keinem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen, wenn sie über mehr als 50 vH der Stimmanteile verfügen. Das scheint nicht mehr uneingeschränkt zu gelten. Denn inzwischen überträgt das BSG die für die Geschäftsführertätigkeit entwickelten Kriterien auf mitarbeitende Gesellschafter und andere Organe und stellt bei diesen für die Frage der Versicherungspflicht maßgeblich auf die im Gesellschaftsvertrag geregelte Rechtsmacht ab. Jüngere Urteile engen für Gesellschafter die Möglichkeiten, in ihrem eigenen Unternehmen versicherungsfrei mitzuarbeiten, erheblich ein. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen. 

Bislang: Beitragsfreiheit des mitarbeitenden Mehrheitsgesellschafters der GmbH

Ein GmbH-Gesellschafter, der nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, kann aufgrund einer außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses bestehenden Arbeitsbeziehung (z.B. auf Grundlage eines Anstellungs- oder Dienstverhältnisses) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft stehen. Die Organstellung an sich schließt nicht bereits die Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern aus. Für die Frage der Sozialversicherungspflicht stellt das BSG maßgeblich auf die Höhe der Kapitalbeteiligung und die dadurch vermittelte Rechtsmacht in der Gesellschafterversammlung ab.

Nach gefestigter BSG-Rspr. reichen Stimmanteile von exakt 50 vH – anders als beim Gesellschafter-Geschäftsführer – nicht aus. Denn ist dem Gesellschafter die Geschäftsführung nicht übertragen, unterliegt er in Hinblick auf seine Arbeitsbeziehung zur Gesellschaft umfänglich dem Weisungsrecht des bestellten Geschäftsführers gem. §§ 6, 38 GmbH. Auch besitzt er allein aufgrund seiner Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit aufzuheben oder abzuschwächen. Bei gegensätzlicher Stimmabgabe führt sein Stimmrecht nur zur Stimmenparität, aber nicht zur Herbeiführung eines Beschlusses (vgl. § 47 Abs. 1 GmbHG) – dies kann grds. nur der Mehrheitsgesellschafter. Auch eine außerhalb des Gesellschaftsvertrags erfolgte rechtsgeschäftliche Übertragung von Stimmrechten macht ihn statusrechtlich nicht zum Selbständigen. Dagegen wurden mitarbeitende Gesellschafter, die über mehr als 50 vH der Stimmanteile verfügen, generell nicht als Beschäftigte eingeordnet, da sie über ihre Gesellschafterbefugnisse ihnen missliebige Entscheidungen verhindern können (vgl. BSG 25.1.2006 – B 12 KR 30/04 R; Gemeins. Rundschreiben der Sozialversicherungsträger vom 21.3.2019, Anlage 3).

Neu: Unterscheidung zwischen mitarbeitenden Allein- und Mehrheitsgesellschaftern

Inzwischen scheint das BSG auch bei Mehrheitsgesellschaftern zu differenzieren: So wird nur beim mitarbeitenden Alleingesellschafter der GmbH ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis von vornherein ausgeschlossen. Denn dieser hat aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Position letztlich die Leitungsmacht gegenüber dem Geschäftsführer und unterliegt damit nicht seinerseits dessen Weisungsrecht. Insbes. kann er jederzeit einen ändernden Mehrheitsbeschluss herbeiführen. 

Dagegen soll bei einem mitarbeitenden Mehrheitsgesellschafter ein Beschäftigungsverhältnis nicht allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte ausgeschlossen sein (BSG 12.05.2020 – B 12 KR 30/19 R). Denn sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes regelt, führt regelmäßig allein der Geschäftsführer im Rahmen der laufenden gewöhnlichen Geschäftsführung die Dienstaufsicht über die Arbeitnehmer (so die übliche Konstellation in GmbH-Satzungen) und eben nicht die Gesellschafterversammlung. Das ist nur anders, wenn er über seine Gesellschafterbefugnisse ihm missliebige Entscheidung verhindern kann. Das ist der Fall, wenn der Gesellschaftsvertrag z.B. Einschränkungen der Vertretungsbefugnis oder des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten vorsieht und der Gesellschafterversammlung vorbehält. Die Sozialversicherungsträger haben diese Unterscheidung bereits in ihr gemeinsames Rundschreiben vom 1.4.2022 in Anlage 3 aufgenommen. Dieser Schwenk kommt für die Unternehmenspraxis überraschend, da für mitarbeitende Gesellschafter jedenfalls ab 51 vH Stimmanteil mit Blick auf die bisherige Rechtslage i.d.R. keine Beiträge abgeführt werden.

Leitungsmacht gegenüber dem Geschäftsführer erforderlich

Neu ist, dass das BSG hier offenbar die Maßstäbe anlegt, die es für den geschäftsführenden Minderheitsgesellschafter der GmbH entwickelt hat. Danach bedarf es einergesellschaftsvertraglich vermittelten aktiven Gestaltungsmacht, die sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckt. Eine reine „Verhinderungsmacht“ reicht damit nicht mehr aus. Vielmehr wird für die Anerkennung der Selbständigkeit mitarbeitender Gesellschafter verlangt, dass sie in der GmbH über Einfluss- und Mitbestimmungsmöglichkeiten verfügen, die mit denen eines Selbständigen im eigenen Unternehmen vergleichbar sind (so auch LSG Berlin-Brandenburg 20.6.2022 – L 1 BA 86/19). Der Gesellschaftsvertrag muss daher Weisungsrechte des Geschäftsführers auf die Gesellschafterversammlung übertragen.

Tätigkeit allein auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage versicherungspflichtig

Diesen Schwenk hat das BSG mit einer jüngeren Entscheidung bekräftigt und zudem die Möglichkeit, organschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben, weiter eingegrenzt. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung kann selbst dann vorliegen, wenn gar kein Dienst- oder Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, sondern die Tätigkeit allein auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage ausgeübt wird (BSG 13.12.2022 – B 12 KR 16/20 R). Der Begriff der Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV sei nicht von der Art der Rechtsgrundlage abhängig und setze weder einen zivilrechtlichen Vertrag noch zumindest ein faktisches Arbeitsverhältnis voraus. Die statusrechtliche Beurteilung richte sich vor allem am Inhalt der Satzung und der daraus vermittelten Rechtsmacht aus.

Fazit

In der Praxis zeigen sich die Probleme häufig bei Übertragung von Gesellschaftsanteilen an der GmbH im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge. Sukzessive Aufspaltungen können hier zu einem Hineinrutschen in die Sozialversicherungspflicht führen. Daher sollte bei fortgesetzter Mitarbeit der Sachverhalt auch sozialversicherungsrechtlich überprüft werden, um unliebsamen Überraschungen bei der turnusmäßigen Betriebsprüfung vorzubeugen.

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