Arbeitsrecht 1. Februar 2022

Ein Recht des Arbeitnehmers auf Homeoffice vs. ein Recht des Arbeitgebers auf Rückkehr ins Büro

von Dr. Sophia Croonenbrock

Aktuell hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Debatte um ein Recht auf Arbeiten im Homeoffice neu entfacht. Er spricht sich für die Schaffung eines dahingehenden Rechtsanspruchs von Arbeitsnehmern aus. Ob, wann und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Anspruch durch die neue Regierung jedoch tatsächlich gesetzlich verankert wird, ist offen. Es stellt sich daher die Frage, ob der Arbeitgeber die Rückkehr seiner Arbeitnehmer ins Büro jederzeit fordern kann.

In Zeiten der Corona-Pandemie gehen immer mehr Arbeitgeber dazu über, ihre Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten zu lassen. Aktuell sind die Arbeitgeber im Fall von Büroarbeit sogar wieder gesetzlich dazu verpflichtet, ihren Arbeitnehmern das Arbeiten im Homeoffice zu ermöglichen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe dagegensprechen, vgl. § 28b Abs. 4 IfSG. Solange der Arbeitgeber aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmung zur Ermöglichung von Homeoffice verpflichtet ist, kann er die Arbeitnehmer nicht einseitig zur Rückkehr ins Büro verpflichten. Homeoffice wird in vielen Betrieben jedoch vermehrt auch unabhängig von einer bestehenden gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers hierzu praktiziert. Die Erbringung der Tätigkeit von zuhause aus ist durch die Pandemie ein Stück Normalität geworden. Außerdem gilt die gesetzliche Regelung nur bis zum Ablauf des 19. März 2022. Auch zwischenzeitlich (von Ende Juni 2021 bis Ende November 2021) war die erstmals Ende Januar 2021 eingeführte gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, Homeoffice zu ermöglichen, ausgesetzt. Was passiert also, wenn der Arbeitgeber wieder die Rückkehr zum Arbeiten im Betrieb wünscht? Kann er jederzeit eine Rückkehr ins Büro anordnen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen entfallen? Oder erwirbt der Arbeitnehmer nach einer gewissen Zeit ein subjektives Recht auf Homeoffice?

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers

Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice kann sich aus dem Gesetz, einem anwendbaren Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder aus dem Arbeitsvertrag bzw. einer diesen ergänzenden Individualvereinbarung ergeben. Für den Fall, dass eine solche Regelung besteht, geht aus ihr unter Umständen auch hervor, unter welchen Voraussetzungen eine Beendigung der Homeoffice-Tätigkeit möglich ist. Für die meisten Arbeitsverhältnisse gibt es bislang jedoch weder auf kollektivvertraglicher noch auf individualvertraglicher Ebene eine Regelung, die die Tätigkeit im Homeoffice regelt.

Wenn eine solche Regelung nicht besteht, muss es zunächst bei dem allgemeinen Grundsatz bleiben, dass der Arbeitgeber den Arbeitsort kraft seines Weisungsrechtes einseitig festlegen kann, vgl. § 106 GewO. Wenn ein Arbeitgeber über längere Zeit eine Tätigkeit im Homeoffice duldet oder sie sogar angeordnet hat, ergibt sich daraus in den meisten Fällen kein Anspruch, auch in Zukunft außerhalb des Büros arbeiten zu dürfen. Der Arbeitgeber kann weiterhin Anordnungen hinsichtlich des Arbeitsortes – also auch zur Rückkehr in die Betriebsstätte – treffen.

Dem folgend hat das Landesarbeitsgericht München (vom 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21) entschieden, dass ein Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer gestattet hatte, seine Tätigkeit als Grafiker von zuhause aus zu erbringen grundsätzlich berechtigt ist, seine ursprüngliche Weisung zu ändern, wenn sich später betriebliche Gründe herausstellen, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Homeoffice sprechen. Das Gericht argumentiert, dass selbst die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum i.d.R. keinen Vertrauenstatbestand dahingehend schafft, dass der Arbeitgeber von seinem vertraglich eingeräumten Recht keinen Gebrauch mehr machen will. Und auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts umfasst das Weisungsrecht gemäß § 106 GewO das Recht des Arbeitgebers, eine einmal erteilte Weisung mit Wirkung für die Zukunft auch wieder zurückzunehmen oder zu ändern (vgl. BAG vom 18.10.2017 – 10 AZR 330/16).

Ein Recht auf Homeoffice nur in Ausnahmefällen

Die Weisung des Arbeitgebers muss jedoch rechtmäßig sein, d.h. insbesondere, sie muss billigem Ermessen entsprechen. Dazu ist eine „Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit“ vorzunehmen (vgl. etwa LAG München vom 26.8.2021 – 3 SaGa 13/21). Diese Abwägung fällt nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zulasten der arbeitgeberseitigen Weisung aus, so z.B., wenn eine betriebliche Übung besteht oder wenn aus der Wahrung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ein Recht auf Homeoffice resultiert. 

  • In einem Fall hat ein Gericht eine Weisung des Arbeitgebers, eine Homeoffice-Tätigkeit zu beenden für unwirksam erklärt, weil sie nicht billigem Ermessen entspräche (LAG Rheinland-Pfalz vom 17.12.2014 – 4 Sa 404/14). Das Gericht stellt hier entscheidend darauf ab, dass der Arbeitgeber zum einen nicht ausreichend dazu vorgetragen habe, dass berechtigte eigene Interessen daran bestünden, dass der Arbeitnehmer künftig ausschließlich am Betriebssitz arbeitet und zum anderen auf Seiten des Arbeitnehmers aufgrund einer Entfernung zur Arbeitsstätte von 300 km ein erhebliches Interesse daran bestünde, seine Tätigkeit auch in Zukunft von seinem Wohnort aus zu erbringen.
  • Eine betriebliche Übung, die es dem Arbeitgeber verwehrt, eine Rückkehr ins Büro anzuordnen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die Anforderungen im Hinblick auf Umstands- und Zeitfaktor, auf die es für die Wirksamkeit einer betrieblichen Übung maßgeblich ankommt, sind streng. Aus Sicht eines objektiven Empfängers muss sich der Verpflichtungswille des Arbeitgebers ergeben, dauerhaft die Möglichkeit zu mobiler Arbeit zu geben. Im Rahmen der Corona-Pandemie kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Gewährung von Homeoffice (zunächst) als vorübergehend anzusehen ist. Hier dürfte es somit im Regelfall schwer werden, eine betriebliche Übung zu begründen.
  • Wenn der Arbeitgeber aber auch nur einer kleinen Anzahl von Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Homeoffice-Tätigkeit eröffnet, könnte ein Anspruch anderer Arbeitnehmer auf Homeoffice aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgen. Einem Arbeitnehmer kann die Homeoffice-Tätigkeit in diesem Fall nur dann verwehrt werden, wenn es sachliche Gründe für eine entsprechende Ungleichbehandlung gibt. Wenn eine Gruppenbildung vorgenommen wird, so muss diese sachlichen Kriterien entsprechen. Regelmäßig kann ein benachteiligter Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmer behandelt zu werden, wenn die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung bzw. hier nach dem Zweck der Homeoffice-Tätigkeit nicht gerechtfertigt ist.
  • Auch eine Konkretisierung des Weisungsrechts dürfte nur in wenigen Ausnahmefällen zu bejahen sein. Eine solche Konkretisierung setzt ein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers dahingehend voraus, der Arbeitgeber werde hinsichtlich des Arbeitsortes von seinem Direktionsrecht keinen Gebrauch machen. Arbeitnehmer können i.d.R. aber nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde sie nicht mehr anweisen, ihre Tätigkeit vor Ort im Betrieb auszuüben. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. zur Konkretisierung von Arbeitspflichten: BAG vom 17.8.2011 – 10 AZR 202/10). Es dürften in den meisten Fällen aber keine Umstände vorliegen, die den Rückschluss erlauben, der Arbeitgeber wollte auf die Möglichkeit einer anderweitigen Ausübung seines Direktionsrechts für die Zukunft verzichten. Ebenso wenig kann allein daraus, dass der Arbeitnehmer über einen langen Zeitraum seine Arbeitsleistung ganz überwiegend im Homeoffice erbracht hat, auf eine entsprechende örtliche Konkretisierung geschlossen werden (so auch: LAG Rheinland-Pfalz vom 17.12.2014 – 4 Sa 404/14).

Fazit und Praxistipp

Wenn keine gesetzliche oder vertragliche Regelung existiert, aus der sich ein subjektives Recht des Arbeitnehmers auf Homeoffice ergibt, kann der Arbeitgeber in den weit überwiegenden Fällen eine Rückkehr in den Betrieb jederzeit anordnen. Dies gilt auch, wenn Homeoffice in der Vergangenheit auf Grundlage der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung in § 28b IfSG gewährt wurde und diese Norm zum 20. März 2022 ausläuft. Um dem Risiko einer unwirksamen Weisung zur Rückkehr in den Betrieb zu entgehen, ist es jedoch ratsam, die Voraussetzungen, unter denen Homeoffice einseitig beendet werden kann zusammen mit einer Regelung zur Einführung von Homeoffice, zu regeln. Das gilt insbesondere dann, wenn Homeoffice losgelöst von einer gesetzlichen Regelung über den 20. März 2022 hinaus gewährt wird. Eine Regelung kann etwa durch eine Ergänzung des Arbeitsvertrags oder auf betrieblicher Ebene durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung getroffen werden. Dabei sollte die Regelung die Gewährung von Homeoffice unter den Vorbehalt eines betrieblichen Erfordernisses stellen und die Möglichkeit einer (für den Arbeitnehmer zumutbaren) Anordnungsrückkehr des Arbeitgebers enthalten.

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