Aus wie vielen Mitgliedern muss der Betriebsrat überhaupt bestehen? § 9 BetrVG legt die Zahl der Betriebsratsmitglieder in Abhängigkeit von der Betriebsgröße fest und stellt hierfür auf die „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer ab. In der Praxis stellt sich bei bestimmten Mitarbeitergruppen und einzelnen Fallkonstellationen immer wieder die Frage, inwieweit Arbeitnehmer zu den „in der Regel“ beschäftigen Arbeitnehmer gehören oder nicht. Besondere Relevanz hat diese Frage, wenn durch das (Nicht-)Hinzuzählen ein Schwellenwert des § 9 BetrVG über- oder unterschritten wird. Der folgende Beitrag soll einen Überblick darüber geben, wer mitzählt und wer nicht.
§ 9 BetrVG legt Schwellenwerte fest, bei deren Überschreiten die Größe des Betriebsrats jeweils um zwei Mitglieder wächst. Schon wenige mitzählende Arbeitnehmer mehr oder weniger können entscheidend dafür sein, ob der Betriebsrat zwei Mitglieder mehr oder weniger hat. So besteht ein Betriebsrat in einem Betrieb mit in der Regel 100 Arbeitnehmern aus 5 Mitgliedern, ein Betriebsrat in einem Betrieb mit in der Regel 101 Arbeitnehmern hingegen aus 7 Mitgliedern. Nicht nur im Hinblick auf die Größe des Betriebsrats lohnt es sich, hier genau zu prüfen, wer zu den „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmern gehört und wer nicht.
Geht der Wahlvorstand im Wahlausschreiben von einer zu hohen Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder aus, kann die Wahl angefochten werden. Eine einfache Korrektur des Ergebnisses ist in diesem Fall nicht möglich, vielmehr ist die Wahl insgesamt für unwirksam zu erklären und muss wiederholt werden (BAG v. 29.06.1991 – 7 ABR 67/90). Wird die Wahl nicht angefochten, bleibt es – für die Dauer der Amtszeit – bei der unzutreffenden (zu hohen oder zu geringen) Mitgliederzahl.
Um bei der Beschäftigungszahl berücksichtigt zu werden, muss die jeweilige Person zunächst gemäß § 5 BetrVG als Arbeitnehmer einzuordnen sein. Keine Arbeitnehmer sind beispielsweise leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG und die anderen in § 5 Abs. 3 BetrVG genannten Mitarbeitergruppen.
Für die Betriebsratsgröße stellt § 9 BetrVG auf die Anzahl der Arbeitnehmer ab, die in der Regel in einem Betrieb beschäftigt sind.
In Betrieben bis 100 Arbeitnehmern ist die Wahlberechtigung (§ 7 BetrVG) zusätzliche Voraussetzung für die Berücksichtigung der Arbeitnehmer. Ab einer größeren Belegschaft ist sie im Rahmen des § 9 BetrVG irrelevant.
Für die Bestimmung der Anzahl der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer ist nicht entscheidend, wie viele Arbeitnehmer dem Betrieb zufällig zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens angehören. Vielmehr ist auf die normale Zahl der Arbeitnehmer abzustellen, also auf die Personalstärke, die „für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist“ (BAG v. 07.05.2008 – 7 ABR 17/07). Dies erfordert regelmäßig – ausgehend vom Zeitpunkt des Wahlausschreibens – sowohl einen Rückblick als auch eine Prognose.
Auch bei Anwendung der genannten Kriterien ergeben sich immer wieder Grenzfälle, welche die Bemessung der Betriebsgröße erschweren. Die relevantesten sind im Folgenden aufgezählt.
Leiharbeitnehmer
Gemäß § 14 Abs. 2 S. 4 AÜG sind Leiharbeitnehmer auch bei den Schwellenwerten zur Wahl des Betriebsrats im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen (so bereits vor Einführung der Norm BAG v. 13.03.2013 – 7 ABR 69/11). Die Vorschrift wird einschränkend dahingehend ausgelegt, dass Leiharbeitnehmer nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie tatsächlich „in der Regel“ beschäftigt sind. Das ist der Fall wenn sie normalerweise während des größten Teils eines Jahres, d.h. länger als sechs Monate beschäftigt werden. Hierbei kommt es auf die Zahl der Leiharbeitnehmer im Betrieb an, nicht auf die Einsatzdauer einzelner Leiharbeitnehmer.
Teilzeitbeschäftigte
Teilzeitbeschäftigte zählen pro Kopf, unabhängig von ihrer Arbeitszeit.
Altersteilzeit
Elternteilzeit
§ 21 Abs. 7 BEEG legt fest, dass Arbeitnehmer in Elternzeit dann nicht zu zur Belegschaft zu addieren sind, wenn deren Arbeitsplatz vorübergehend besetzt ist und die Vertretung zur Ermittlung der Beschäftigtenzahl hinzuzurechnen ist. Das ist konsequent, denn es besteht „in der Regel“ insgesamt nur ein zu besetzender Arbeitsplatz.
Langzeiterkrankte
Das gleiche Prinzip ist auf Langzeiterkrankte anzuwenden: Werden sie während ihrer betrieblichen Abwesenheit vertreten, können sie herausgerechnet werden, bleibt der Arbeitsplatz unbesetzt, zählt der- oder diejenige trotzdem als „in der Regel“ beschäftigt (LAG Rheinland-Pfalz v. 25.06.2019 – 6 TaBV 4/19).
Aushilfskräfte
Arbeitnehmer, die nur zeitweilig beschäftigt werden, zählen als „in der Regel“ beschäftigt, wenn sie während des größten Teil eines Jahres, also über sechs Monate, beschäftigt werden. Bei einem ständigen Wechsel an Aushilfskräften zählt die durchschnittliche Anzahl der an einem Arbeitstag beschäftigten Aushilfskräften zu den in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern (BAG v. 07.05.2008 – 7 ABR 17/07).
Geplanter Personalabbau
Auch ein geplanter Personalabbau kann im Rahmen der Prognose Berücksichtigung finden. Entscheidend hierfür ist, wie weit sich die Entscheidung bereits konkretisiert hat.
Es ist immer eine genaue Bewertung aller Arten von Beschäftigtenverhältnissen nach dem BetrVG anzuraten, denn hier schleichen sich angesichts der Vielfältigkeit moderner Arbeitsweisen teilweise Fehler ein. Da es sich bei der Bestimmung der Betriebsgröße um eine Aufgabe des Wahlvorstandes handelt, sollten eventuelle Unstimmigkeiten zwischen Wahlvorstand und Arbeitgeber bestenfalls im Vorfeld des Erlasses des Wahlvorstands geklärt werden, um eine spätere Anfechtbarkeit der Wahl nach § 19 BetrVG und Neuwahlen zu vermeiden.