Nach ständiger BSG-Rechtsprechung kann ein GmbH-Geschäftsführer seine Tätigkeit überhaupt nur dann „selbstständig“ i.S.d. Sozialversicherungsrechts ausüben, wenn er am Gesellschaftskapital beteiligt ist. Die Organstellung allein vermag eine Selbständigkeit der Tätigkeit nicht zu begründen. Daher scheidet beim Fremdgeschäftsführer aufgrund fehlender Kapitalbeteiligung eine selbstständige Tätigkeit grundsätzlich aus, mit der Konsequenz, dass er in einem abhängigen und damit versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH steht.
Nun hat das BSG in einer Reihe von Entscheidungen seine Rechtsprechung zur Statusbeurteilung von GmbH-Geschäftsführern fortentwickelt und die Einordnungskriterien auch in Bezug auf mehrstufige Konzerne (BSG 23.2.21 – B 12 R 18/18 R; 8.7.2020 – B 12 R 26/18 R) und Treuhandgestaltungen weiter verfeinert (BSG 12.5.20 – B 12 R 5/18 R; 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R). Dies soll zum Anlass genommen werden, einen Überblick über die bestehenden Regeln zu verschaffen.
Diskrepanz von arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Verständnis
Der GmbH-Geschäftsführer ist nach (deutschem) arbeitsrechtlichen Verständnis kein Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 14 KSchG). Trotzdem kann er für das Sozialversicherungsrecht in einem Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV zur GmbH stehen und damit der Versicherungs- und Beitragspflicht zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung unterliegen. Für die Abgrenzung von selbständiger Geschäftsführertätigkeit zu abhängiger Beschäftigung hat das BSG Kriterien entwickelt, die sich auf die Rechtsmacht innerhalb der Gesellschaft fokussieren. Dem GmbH-Geschäftsführer muss es kraft seiner Kapitalbeteiligung oder aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags möglich sein, ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen zu können, die sein Anstellungsverhältnis betreffen.
Beteiligung am Stammkapital
Am Stammkapital der GmbH nicht beteiligte Fremdgeschäftsführer können ihre Geschäftsführertätigkeit nach ständiger Rechtsprechung nicht selbständig ausüben, da sie keine Rechtsmacht besitzen, ihnen unangenehme Weisungen zu verhindern. Denn sie unterliegen nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 und § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG grds. dem umfassenden Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung.
Auch ein GmbH-Geschäftsführer, der zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist (sog. Gesellschafter-Geschäftsführer), ist nicht bereits kraft seiner Kapitalbeteiligung „selbständig tätig“. Über seine Gesellschafterstellung hinaus muss er – um nicht als abhängig beschäftigt angesehen zu werden – die Rechtsmacht haben, auf Beschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Hier sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft wesentliches Merkmal für die Statusfrage:
Rechtsmacht durch „qualifizierte“ Sperrminorität
Das Innehaben einer „qualifizierten“ Sperrminorität schließt eine abhängige Beschäftigung regelmäßig aus, und zwar auch dann, wenn andere Gesellschafter ein wirtschaftliches Übergewicht haben. In Betracht kommen von § 47 GmbHG abweichende Ausgestaltungen des Stimmrechts, wie z.B. Mehrheits- oder Einstimmigkeitserfordernisse, Stimmrechtsschranken oder Stimmpflichten. Ein lediglich auf bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft begrenztes Vetorecht reicht ebenso wenig wie der Umstand, dass der Geschäftsführer bei seiner Tätigkeit tatsächlich nicht der Kontrolle durch die Gesellschafter unterliegt, weil diese ihre Rechte gar nicht ausüben. Insoweit hat sich der für Beitragsangelegenheiten zuständige Senat von der Rechtsprechung der Leistungssenate des BSG (6.3.2003 – B 11 AL 25/02 R) distanziert.
Diese Rechtsmacht muss im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung verankert sein, bzw. sich hilfsweise aus dem GmbHG ergeben. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags bestehende wirtschaftliche oder familiäre Verflechtungen, rein schuldrechtliche Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer und anderen Gesellschaftern oder der GmbH können zwar in tatsächlicher oder sogar gesellschaftsrechtlicher Hinsicht die Rechtsmachtverhältnisse verschieben, nicht aber mit Wirkung für das Sozialversicherungsrecht. Solche Abreden sind selbst dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie notariell beurkundet sind, da sie nicht den Publizitätsvorschriften genügen. Nach alledem gilt:
Rechtsmacht durch beherrschende Muttergesellschaft
Ausnahmsweise kann auch ein Fremdgeschäftsführer „selbständig“ sein, wenn die Beteiligung an einer anderen Gesellschaft ihm die erforderliche Rechtsmacht in der von ihm geführten Gesellschaft vermittelt. Das hat das BSG jetzt bei gestuften Konzernstrukturen für den Fall entschieden, dass Hauptgesellschafterin der GmbH, deren Fremd-Geschäftsführung Gegenstand der Statusbeurteilung war, wiederum eine Gesellschaft (GmbH oder GmbH & Co KG) ist. Die Rechtsmacht resultiert daraus, dass der GmbH-Geschäftsführer kraft seiner Beteiligung an der übergeordneten Muttergesellschaft maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten (Tochter)Gesellschaft nehmen und somit „durchregieren“ kann (BSG 23.02.2021 – B 12 R 18/18 R; BSG 8.7.2020 – B 12 R 26/18 R).
Damit ist für die Statusbeurteilung nicht nur isoliert auf die Rechtsbeziehungen innerhalb der Tochtergesellschaft abzustellen, sondern es ist eine Gesamtbetrachtung der kapital- und satzungsmäßigen Befugnisse der verflochtenen Gesellschaften erforderlich. Dabei stellt das BSG in mehrstufigen Konzernen sowohl auf das Rechtsverhältnis zwischen den Gesellschaften als auch auf die Rechtsstellung des Geschäftsführers innerhalb der anderen Gesellschaft ab. Die durch die Beteiligung an der übergeordneten Gesellschaft vermittelte Rechtsmacht muss durch Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt sein und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlagen. Hier gilt:
Praxistipp:
Die jüngeren Entscheidungen des BSG bringen unmissverständlich zum Ausdruck, dass rein schuldrechtliche Vereinbarungen für die Statusbeurteilung ohne Bedeutung sind. Aus ihnen kann die für das Sozialversicherungsrecht maßgebliche Rechtsmacht des GmbH-Geschäftsführers nicht hergeleitet werden. Rechte und Einflussmöglichkeiten müssen sich vielmehr unmittelbar aus den satzungsrechtlichen Regelungen ergeben. Das ist bereits bei der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung zu berücksichtigen.
Um einschneidende Rechtsfolgen für den Geschäftsführer und die Gesellschaft zu vermeiden, sollte bereits zu Beginn der Tätigkeit die Frage der Versicherungspflicht geklärt werden. Hier kann bei der Clearingstelle der DRV Bund ein Anfrageverfahren optional durchgeführt werden. Allerdings muss die Statusfeststellung auch von Amts wegen durch die Krankenkassen eingeleitet werden, wenn diese Kenntnis über die Geschäftsführertätigkeit erlangen (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Das ist regelmäßig bei einer Anmeldung des Geschäftsführers zur Krankenversicherung der Fall. Hierauf sollte u.U. aktiv hingewirkt werden, um rückwirkende Kostenrisiken zu vermeiden.
Wird eine Klärung versäumt und der Geschäftsführer irrtümlich als nicht sozialversicherungspflichtig beurteilt, haftet die GmbH für die verpassten Beitragszahlungen. Zudem werden hierauf regelmäßig Versäumniszuschläge i.H.v. 1% monatlich erhoben.
Ändern sich die Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschaft oder werden Rechtspositionen satzungsrechtlich geändert bzw. abbedungen, ist zu prüfen, ob eine erneute Statusklärung ratsam ist. Auch Änderungen in der Sozialgerichtsrechtsprechung, die eine andere Bewertung des Sachverhalts zulassen, sind Anlass für eine erneute Statusprüfung.