Gesellschaftsrecht 28. Juli 2022

Dauerhafte Einführung der virtuellen Hauptversammlung

von Alina Häck und Patrick Schlupkothen

Das Gesetz zur Einführung der virtuellen Hauptversammlung (am 8. Juli 2022 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet) enthält im Vergleich zum Regierungsentwurf vom 27. April 2022 einige begrüßenswerte Anpassungen. Damit hat der Gesetzgeber zumindest für die einfach gelagerte Hauptversammlung ohne besondere Tagesordnungspunkte nunmehr eine echte Alternative zur Präsenzveranstaltung geschaffen. 

Virtuelle Hauptversammlung aufgrund Satzungsregelung

Im Mittelpunkt des Gesetzes steht der neue § 118a AktG. Für die Durchführung der virtuellen Hauptversammlung bedarf es in Anlehnung an § 118 AktG der Ermächtigung durch die Satzung. Diese muss auf höchstens fünf Jahre begrenzt werden; danach bedarf es einer erneuten Legitimation durch die Aktionäre. Aufgrund einer entsprechenden Übergangsregelung können die Emittenten unabhängig von einer Satzungsregelung bereits jetzt bis zum 31. August 2023 von den neuen Regelungen Gebrauch machen. Es ist zu erwarten, dass in den meisten ordentlichen Hauptversammlungen 2023 sodann bereits rein vorsorglich eine Ermächtigung i.S.d. § 118a Abs. 1 AktG auf der Tagesordnung stehen wird. 

Angleichung von Präsenzveranstaltung und virtueller Versammlung

Durch die letzten Änderungen des Gesetzesentwurfes wurden Präsenz- und virtuelle Versammlung weitestgehend angeglichen und gleichgestellt. Die Möglichkeit die Tagesordnungspunkte, die Gegenstand einer virtuellen Hauptversammlung sein können, in der Satzung zu beschränken wurde gestrichen. Neben dem Rede- besteht nunmehr auch das Antrags- und Wahlvorschlagsrecht ausschließlich im Weg der Videokommunikation und nicht mehr wie eingangs vorgesehen auch im Rahmen der elektronischen Kommunikation. Auch das Auskunfts- und (Nach-)Fragerecht während der Versammlung kann vom Versammlungsleiter auf die Videokommunikation begrenzt werden. Die Veröffentlichung des Vorstandsberichts im Vorlauf der Versammlung ist nur noch dann zwingend, wenn der Vorstand vorsieht, dass Fragen der Aktionäre vorab eingereicht werden müssen. 

Recht zur Stellungnahme im Fall der virtuellen Versammlung

Eine gewisse Überkompensation der – während der pandemiebedingten Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung eingeschränkten – Aktionärsrechte wird zwar weiterhin kritisiert und ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dürfte aus Sicht der Verfasserin der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung aber nicht mehr per se im Wege stehen. Anders als bei einer Präsenzveranstaltung steht den Aktionären im Vorlauf zur virtuellen Versammlung das Recht zu, bis fünf Tage vor der Versammlung Stellungnahmen zu den Gegenständen der Tagesordnung einzureichen. Immerhin kann dieses Recht sowie die Pflicht zur Zugänglichmachung der Stellungnahme nunmehr auf die ordnungsgemäß zur Versammlung angemeldeten Aktionäre beschränkt werden. 

Mögliche Vorverlagerung des Informationsaustausches und Risiken

Ebenfalls anders als in der Präsenzveranstaltung steht es dem Emittenten offen, den Informationsaustausch ein Stück weit vorzuverlegen und ggf. damit die Dauer der Hauptversammlung zu verkürzen. So kann der Vorstand vorgeben, dass Fragen der Aktionäre bis spätestens drei Tage vor der Versammlung im Wege der elektronischen Kommunikation einzureichen sind. Im Unterschied zu den pandemiebedingten Regelungen sind die Aktionäre hierdurch allerdings nicht mehr von jeder Kommunikation während der Versammlung ausgeschlossen. Unabhängig davon, dass der Vorstand die Antwort auf Fragen verweigern darf, deren Antworten bereits ordnungsgemäß einen Tag vor und während der Versammlung zugänglich gemacht worden sind, steht den Aktionären ein Nachfragerecht zu allen vor und während der Versammlung gegebenen Antworten zu. Darüber hinaus müssen Fragen zu neuen Sachverhalten auch in der Versammlung beantwortet werden, soweit sie sich erst nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Fragen im Vorlauf der Versammlung ergeben haben. Im Einzelfall wird die Verwaltung daher vor dem Hintergrund eines etwaigen Anfechtungsrisikos insbesondere auch solche Fragen beantworten (müssen), die im Zweifelsfall auch im Vorhinein hätten gestellt werden können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies insbesondere unter kritischen Umständen von einzelnen Aktionären ausgenutzt wird. Es bleibt daher abzuwarten, in welchen Situation der Vorstand künftig von dieser Möglichkeit der Vorverlegung des Informationsaustausches Gebrauch machen bzw. inwieweit sich die Befürchtung einer Ausnutzung bewahrheiten wird. 

Fazit

Inwiefern sich die virtuelle Hauptversammlung auch in der Zeit nach Kontaktbeschränkungen und Versammlungsverboten durchsetzt, bleibt zwar abzuwarten; zumindest der Grundstein hierfür wurde mit dem angepassten und nunmehr praxistauglicheren Gesetz jedoch eindeutig gelegt. 

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